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Gericht: Finanzgericht Hamburg
Urteil verkündet am 05.12.2007
Aktenzeichen: 7 K 112/07
Rechtsgebiete: EStG, BGB


Vorschriften:

EStG § 33a Abs. 1 S. 1
BGB § 1602 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Hamburg

7 K 112/07

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Berücksichtigung von Unterhaltszahlungen an die Mutter seines Kindes als außergewöhnliche Belastung.

Der Kläger erzielt Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Mit seiner Einkommensteuererklärung für 2005 machte er Unterhaltszahlungen an die Mutter seines Kindes, mit der er nicht verheiratet war, in Höhe von 8.807,24 EUR geltend.

Mit Einkommensteuerbescheid für 2005 vom 20.07.2006 setzte der Beklagte die Einkommensteuer auf 10.543 EUR fest. Unterhaltsleistungen des Klägers an die Kindesmutter berücksichtigte der Beklagte nicht als außergewöhnliche Belastungen, da die Unterhaltszahlungen nicht nachgewiesen worden seien.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 24.07.2006 Einspruch ein.

Mit Urteil des Amtsgerichtes Hamburg-1 vom 14.11.2006 wurde der Kläger zu höheren als den bisher geleisteten monatlichen Unterhaltszahlungen verurteilt. In dem Urteil wird festgestellt, dass die Kindesmutter zwar über Vermögen im Jahr 2005 in Höhe von 72.752,89 EUR verfügt habe. Der Einsatz dieses Vermögen zur Bestreitung des eigenen Unterhalts sei der Kindesmutter nicht zuzumuten, da sie Einbußen bei ihrer Altersversorgung dadurch erleide, dass ihre Erwerbstätigkeit wegen der Betreuung des gemeinsamen Kindes zunächst unterbrochen und auch danach nur reduziert fortgesetzt habe. Zudem sei der Unterhaltsanspruch grundsätzlich auf nur drei Jahre begrenzt, die Kindesmutter müsse jedoch über diesen Unterhaltszeitraum hinaus mit finanziellen Einbußen sowohl beim laufenden Einkommen als auch beim Aufbau einer Altersversorgung rechnen. Sie sei deshalb auf den Vermögensstamm zum Ausgleich dieser Einbußen angewiesen.

Mit Einspruchsentscheidung vom 12.04.2007 wies der Beklagte den Einspruch unter Hinweis auf das mehr als geringe Vermögen der Kindesmutter als unbegründet zurück.

Mit Schreiben vom 18.06.2007 trug der den Kläger damals vertretende Lohnsteuerberatungsverbund e.V. - Lohnsteuerhilfeverein - erneut vor und bat um eine Entscheidung über den Einspruch. Der Beklagte übersandte daraufhin mit Schreiben vom 20.06.2007 eine Kopie der Einspruchsentscheidung.

Mit Schreiben vom 19.07.2007, eingegangen am 20.07.2007, hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor, dass er der Mutter seiner nichtehelichen Tochter im Jahr 2005 Unterhalt von insgesamt 7.642,16 EUR gezahlt habe. Diese Unterhaltszahlungen seien als außergewöhnliche Belastung steuerlich zu berücksichtigen. Es könne nicht sein, dass der unbestimmte Rechtsbegriff "geringes Vermögen" steuerrechtlich anders verstanden werde, als im Unterhaltsrecht. Im Unterhaltsprozess habe er sich vergeblich darauf zu berufen versucht, dass die Kindesmutter nicht unerhebliches Vermögen besitze. Dieser Argumentation sei das Familiengericht nicht gefolgt und habe ihn zu höheren Unterhaltsleistungen verpflichtet. Nach dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung sei eine einheitliche Auslegung des Begriffes geboten. Die Formulierung in § 33a Abs. 1 S. 3 EStG sei so zu verstehen, dass kein entsprechendes Vermögen zur Verfügung stehen dürfe. Das sei hier genau der Fall, denn nach der Entscheidung des Familiengerichts sei das Vermögen der Kindesmutter wegen besonderer Umstände außer Acht zu lassen. Insofern entfalte das Urteil des Familiengerichts Tatbestandswirkung im Hinblick auf die steuerrechtliche Regelung. § 33a Abs. 1 EStG sei nur eigenständig hinsichtlich der Höhe des berücksichtigungsfähigen, gezahlten Unterhalts. Wenn sich aus § 1602 BGB ergebe, dass die Unterhaltsberechtigte im Ergebnis kein anrechenbares Vermögen besitze, so gelte dies auch für die steuerrechtliche Regelung. Es sei eine Entscheidung im Einzelfall zu treffen und nicht generell der Betrag von 15.000 EUR als geringes Vermögen einzusetzen. Zudem gehe dieser Betrag auf die Verhältnisse im Jahre 1975 zurück und berücksichtige nicht die eingetretene Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse. Einer höchstrichterlichen Überprüfung dürfte dieser Betrag daher nicht standhalten.

Der Kläger beantragt,

den Einkommensteuerbescheid 2005 vom 20.07.2006 und die Einspruchsentscheidung vom 12.04.2007 bekanntgegeben am 20.06.2007 in der Weise zu ändern, dass in 2005 geleistete Unterhaltszahlungen in Höhe von 7.642,16 EUR als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte rügt, dass die Klage nicht fristgerecht erhoben worden sei. Der Beklagte sei sich jedoch der Darlegungs- und Beweislast für den Zugang von Schriftsätzen bewusst und könne einen Zugang der Einspruchsentscheidung vom 12.04.2007 nicht nachweisen. Er habe deshalb die Einspruchsentscheidung mit Schreiben vom 20.06.2007 erneut übersandt.

Die Unterhaltszahlungen des Klägers an die Mutter seines Kindes seien nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, denn die Kindesmutter verfüge über ein Vermögen, das mehr als nur gering sei im Sinne des § 33a Abs. 1 S. 3 EStG. § 33a Abs. 1 EStG treffe eine gegenüber dem zivilrechtlichen Unterhaltsrecht eigene steuerrechtliche Regelung über die Abziehbarkeit von Unterhaltsleistungen. Insbesondere sei die Höhe des bürgerlich-rechtlich konkret geschuldeten Unterhalts für den Abzug als außergewöhnliche Belastung nicht maßgeblich.

§ 33a Abs. 1 EStG nehme in Satz 1 die gesetzliche Unterhaltspflicht zwar in Bezug, stelle gleichwohl in Satz 3 die Schranke eines geringen Vermögens auf.

Die Beteiligten haben im Erörterungstermin ihren Verzicht auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erklärt.

Dem Gericht haben vorgelegen Band II der Einkommensteuerakten und Band I der Rechtsbehelfsakten des Beklagten betreffend die Steuernummer ...... Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akten und das Protokoll über den Erörterungstermin Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte gemäß § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hiermit ihr Einverständnis erklärt haben.

1. Die Klage ist zulässig. Sie ist insbesondere innerhalb der Monatsfrist nach § 47 Abs. 1 FGO erhoben worden. Die Frist begann mit Ablauf des dritten Tages nach Aufgabe des Schriftsatzes vom 20.06.2007, mit dem eine Kopie der Einspruchsentscheidung vom 12.04.2007 dem Kläger übersandte wurde, zu laufen (§ 47 Abs. 1, 2. Halbsatz FGO, § 122 Abs. 2 Ziffer 1 AO). Die Klagschrift ist am 20.07.2007 und damit fristgemäß beim Gericht eingegangen. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte mit der Übersendung einer Kopie der Einspruchsentscheidung keinen Bekanntgabewillen hatte. Der Beklagte räumt selbst ein, dass er den Zugang der von ihm am 12.04.2007 abgesandten Einspruchsentscheidung nicht nachweisen kann. Er äußert keine Zweifel an dem Vortrag des Klägers. Die erneute Übersendung der Einspruchsentscheidung auf die Mitteilung des Klägers, er habe keine Einspruchsentscheidung erhalten, kann deshalb nur mit Bekanntgabewillen erfolgt sein, wenn der Beklagte nicht den Standpunkt vertritt, dass die Einspruchsentscheidung dem Kläger bereits im April 2007 zugegangen sein muss oder dass das Einspruchsverfahren noch nicht abgeschlossen worden sein soll. Beide Standpunkte nimmt der Beklagte nicht ein, sondern räumt inzwischen ein, dass mit der Übersendung einer Kopie die Einspruchsentscheidung bekanntgegeben werden sollte.

2. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Berücksichtigung der in 2005 geleisteten Unterhaltszahlungen an die Mutter seines Kindes, mit der er nicht verheiratet war, als außergewöhnliche Belastung. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Nach § 33a Abs. 1 S. 1 EStG wird auf Antrag die Einkommensteuer ermäßigt, in- dem Aufwendungen bis zu 7.680 EUR im Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden, wenn einem Steuerpflichtigen Aufwendungen für den Unterhalt einer ihm gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Person erwachsen. Voraussetzung ist, dass weder der Steuerpflichtige noch eine andere Person Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG oder auf Kindergeld für die unterhaltene Person hat und die unterhaltene Person kein oder nur geringes Vermögen besitzt (§ 33a Abs. 1 S. 3 EStG).

Der Kläger hat in 2005 Unterhalt in Höhe von 7.642,16 EUR an die Kindesmutter auf der Grundlage ihres Unterhaltsanspruch nach § 1615 l BGB gezahlt. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts Hamburg-1 war die Kindesmutter auch bedürftig im Sinne von § 1602 Abs. 1 BGB. Es bestand für sie kein Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG und auf Kindergeld. Der Kläger hatte diese Unterhaltszahlungen in seiner Einkommensteuererklärung als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht.

Der Beklagte hat die Unterhaltszahlungen des Klägers zu Recht nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, weil die Kindesmutter nach den nicht bestrittenen Feststellungen des Amtsgerichts Hamburg-1 in 2005 Vermögen in Höhe von 72.752,89 EUR hatte. Die unterhaltene Person besaß damit in 2005 mehr als nur ein geringes Vermögen. Es bedarf keiner Entscheidung, ob nur ein Vermögen bis zu einem Wert von 15.500 EUR als gering anzusehen ist (so EStR 33a.1 Abs. 2). Das Vermögen der Kindesmutter übersteigt diesen Betrag um ein Vielfaches, so dass sie mehr als ein geringes Vermögen besitzt, selbst wenn nunmehr entgegen der bisherigen Rechtsprechung des BFH eine Anpassung dieses Wertes angebracht erscheinen mag. Für Unterhaltsleistungen in den Jahren 1991 und 1992 hat der BFH für den Betrag von damals 30.000 DM als noch geringes Vermögen keinen Anpassungsbedarf gesehen (vgl. BFH, Urteil vom 14.8.1997 - III R 68/96, BStBl II 1998, 241;Urteil vom 19.5.1999 - XI R 99/96, BFH/NV 2000, 22).

Die Entscheidung des Amtsgerichts Hamburg-1, dass es der Kindesmutter unterhaltsrechtlich nicht zumutbar ist, dieses Vermögen für ihren Unterhalt einzusetzen, steht der rechtlichen Würdigung des Beklagten nicht entgegen. Die bürgerlich-rechtliche Belastung des Steuerpflichtigen durch Unterhaltspflichten ist steuerlich nicht unmittelbar maßgebend. § 33a Abs. 1 S. 3 EStG trifft eine grundsätzlich autonome steuerrechtliche Regelung der Voraussetzungen der Zwangsläufigkeit von Unterhaltszahlungen, wenn diese auch ihre Rechtfertigung und ihren sachlichen Grund im Zivilrecht findet (BFH, Urteil vom 14.08.1997 - III R 68/96, BStBl II 1998, 241). Für die Berücksichtigungsfähigkeit der Aufwendungen kommt es nach § 33a Abs. 1 S. 1 EStG nicht auf das Bestehen einer konkreten zivilrechtlichen Unterhaltspflicht bzw. auf die Höhe eines zivilrechtlich geschuldeten Unterhalts an, sondern auf eine potentielle Unterhaltsverpflichtung. Insoweit knüpft das Steuerrecht an die zivilrechtliche Unterhaltsverpflichtung an und trägt damit der Einheitlichkeit der Rechtsordnung Rechnung. Die Bedürftigkeit ist zwar Voraussetzung für die gesetzliche Unterhaltsberechtigung, aber bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 33 a Abs. 1 EStG typisierend zu unterstellen (BFH, Urteil vom 18.05.2006 - III R 26/05, BStBl II 2007, 108). § 33a Abs. 1 S. 3 EStG trifft insoweit die eigenständige Regelung, dass Unterhaltsaufwendungen dann nicht zu berücksichtigen sind, wenn die unterhaltene Person mehr als nur ein geringes Vermögen besitzt. Das Merkmal des Fehlens eines mehr als geringen Vermögens konkretisiert typisierend, was § 33a Abs. 1 EStG mit der Zwangsläufigkeit der vom Steuerpflichtigen erbrachten Unterhaltsleistungen meint. Zwangsläufig können Unterhaltsaufwendungen nur sein, wenn die unterhaltene Person unfähig ist, für ihren Unterhalt selbst zu sorgen. Der Gesetzgeber hat es durch die vereinfachende Regelung in § 33a Abs. 1 S. 3 EStG vermieden, im steuerlichen Verfahren die Bedürftigkeit des Unterhaltsempfängers an Hand der zivilrechtlichen Vorschriften zu prüfen. Hierzu ist der Steuergesetzgeber mit Rücksicht auf verfahrensökonomische Belange und einer einfachen Bestimmung des steuerlichen Belastungsgrundes berechtigt; denn er ist von Verfassungs wegen nicht verpflichtet, bei der Ausgestaltung der Regelung über die steuerliche Berücksichtigung außergewöhnlicher Belastungen das bürgerliche Unterhaltsrecht gleichsam abzubilden und oder auf dieses zu verweisen (BFH, Urteil vom 14.08.1997 - III R 68/96, BStBl II 1998, 241; BFH, Urteil vom 18.05.2006 - III R 46/05, BStBl II 2007, 108). Es kommt deshalb steuerrechtlich nicht darauf an, ob es zivilrechtlich als nicht zumutbar angesehen worden ist, dass der Unterhaltsberechtigte sein Vermögen für seinen Unterhalt einsetzt und damit bedürftig im Sinne von § 1602 BGB ist. Die zivilrechtlichen Maßstäbe für die Bedürftigkeit und die nach der Rechtsprechung zum Unterhaltsrecht zugelassenen Ausnahmen von dem Grundsatz, dass nicht unterhaltsbedürftig ist, wer von der Substanz seines Vermögens leben kann, sind nicht auf die steuerrechtlich zu treffende Entscheidung zu übertragen (vgl. BFH, Urteil vom 14.08.1997 - III R 68/96, BStBl II 1998, 241).

Der Kläger hat gemäß § 135 Abs. 1 FGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.



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